Zusammenfassung des Bürgerkarten-Klausurtages vom 21.11.2020

Trotz strahlendem Sonnenschein und malerischem Alpenblick trafen sich die Initiator*innen der Bürgerkarte in der Bodenseeregion am Samstag, dem 21.11.2020, zum ersten Online-Bürgerkarten-Klausurtag. Ziel war es, die Bürgerkarten-Bewegung in der Bodenseeregion weiter Fahrt aufnehmen zu lassen und wichtige Entscheidungen in Bezug auf das weitere Vorgehen zu treffen.

An dieser Stelle soll eine kurze Exkursion stattfinden, damit auch Leser*innen, die die Bürgerkarte bisher noch nicht kennen, über die Funktionsweise und den Hintergrund Bescheid wissen: Mit der Bürgerkarte bestimmen Bürger*innen, was finanziert werden soll. Man könnte auch sagen, dass Bürger*innen über Einkaufsentscheidungen ihre Bürgerrechte ausüben. Wie das funktioniert?

Anonym. Die Bürgerkarte sammelt keine Punkte und damit auch keine Daten. Stattdessen geht ein prozentualer Anteil des Einkaufswertes an ein Projekt der Wahl. Allerdings soll die Bürgerkarte nicht nur eine Spendenaktion sein. Die Bürgerkarte basiert nämlich nicht auf dem Spenden-Quittungsprinzip mit den daraus resultierenden Auflagen, dass z.B. nur gemeinnützige Projekte gefördert werden dürfen. Somit können Bürger*innen fördern, was sie fördern möchten.

Bei der Bürgerkarte ist der*die Bürger*in der Souverän – sogar gegenüber dem Finanzamt, wenn es darum geht, frei von Spendenquittungsauflagen agieren zu können.

Auch die Händler spenden bei der Bürgerkarte nichts. Stattdessen können sie durch regionale Geschäftsbeziehungen mit anderen bei der Bürgerkarte registrierten Händlern das Gemeinwohl fördern und ihre eigene Position stärken. Die Bürgerkarte ist ein freies Wirtschaftsabkommen, das dem Zweck dient, selbstständige Entscheidungen zu treffen und die Wirtschaft so zu gestalten, wie die Bürger*innen es sich wünschen. Die Bürgerkarte soll auf Augenhöhe mit der Wirtschaft agieren und kein Bittsteller für Spenden sein.

Dabei werden drei wichtige Ziele ganz konkret umgesetzt:

  1. Bürger*innen bestimmen, welche Projekte finanziert werden.
  2. Bürgerprojekte und Vereine werden finanziell unterstützt, ohne dass für Bürger*innen Mehrkosten anfallen
  3. Regionale Bürgerparlamente, in denen die Bürger*innen direkt entscheiden, machen Demokratie erlebbar und stärken das Vertrauen in die Demokratie.

Die Moderation des Klausurtages wurde von Sarina Gisa übernommen, die mit ihrer Agentur Rhetoriksofa ihr Talent, Tagungen zu moderieren, zu ihrem Beruf gemacht hat. Kompetent, mit einigem Humor und zielgerichtet führte sie die insgesamt 8 weiteren Teilnehmer*innen durch den Tag und setzte inhaltliche Schwerpunkte.

Bei einer näheren Betrachtung der Teilnehmer*innen wird direkt einer der größten Vorteile der Bürgerkarte deutlich sichtbar: Über die gesamten sieben Stunden Dauer des Klausurtages waren die Impulsgerber*innen, trotz der teils sehr verschiedenen persönlichen und beruflichen Hintergründe, stets durch die gemeinsame Mission und Vision verbunden.

Die Mitglieder dieses Klausurtages waren:

Anett Heim
Anja Beicht
Klaus Kopp
Manuel Baumann
Miriam Montano
Oliver Endrikat
Sarina Gisa
Simon Neitzel
Thomas Scharnitzki

 

Impulsvortrag zur Vision der Bürgerkarte von Klaus Kopp (Gründer der Bürgerkarte)

Den Grundstein des ersten Online-Bürgerkarten-Klausurtages legte Klaus Kopp, der mit seinem Erfahrungsbericht den Beginn der Bürgerkarte und seine eigene Vision der Zukunft porträtierte. Sein fesselnder Vortrag hat – soviel sei von vornherein bemerkt – diese Ziele weit überboten. Er gab den Antrieb für eine intensivere Beschäftigung mit der Bürgerkarte und deren mannigfaltigen Nutzen für die Region.

Wichtig war Klaus Kopp von Beginn an eine ideologiefreie Bürgerkarte. Jede*r ist willkommen und darf/soll seinen*ihren Beitrag zu einer nachhaltigeren und sozialeren Region leisten.

Er fuhr mit seinen eigenen Erfahrungen fort, die er auf seiner bisher 8-jährigen Reise mit der Bürgerkarte gesammelt hat. Ein wichtiges Prinzip dabei lautete, dass all das umgesetzt wird, was auch finanzierbar ist. Diesem Credo folgt auch die Bürgerkarte: Durch ein von der regionalen Wirtschaft getroffenes „Wirtschaftsabkommen“ können die Bürger*innen mit der Bürgerkare auf direkten Wege bestimmen, was finanziert wird. Gleichzeitig profitiert die regionale Wirtschaft von der Kooperation und Solidarität der Bürger*innen der regionalen Wirtschaft gegenüber. Das langfristige Ziel der Bürgerkarte ist es, möglichst viel Nutzen für die Region, die regionale Wirtschaft und für das Gemeinwohl zu stiften.

Der Beginn der Bürgerkarte war steinig. Niemand wollte so recht an den Gestaltungswillen der Bürger*innen glauben. „Solange die Bürgerkarte keinen direkten Vorteil für die Kund*innen bietet, kann sie sich nicht durchsetzen”, lautete an vielen Stellen das vernichtende Urteil.

Klaus Kopp ließ sich davon jedoch nicht beirren. Er glaubte an den Gestaltungswillen der Menschen. Für ihn ist jede Einkaufsentscheidung eine kleine Volksabstimmung. Durch unseren Konsum lenken wir die Wirtschaft in die gewünschte Richtung. Er hofft darauf, dass immer mehr Bürger*innen durch den Einsatz der Bürgerkarte die Entwicklung in der Region mitgestalten. Nur so könne am Ende mehr Nachhaltigkeit, mehr Regionalität und Menschlichkeit entstehen. Die Bürgerkarte soll diesen Effekt verstärken.

Die Zahlen sprechen heute für sich:

  • Über 8 Millionen Euro Umsatz, die die Händler durch die Bürgerkarte bisher erzielten
  • Über 115 Tausend Euro für die von den Bürger*innen ausgewählten Projekte

Auch durch die positive Resonanz für das Bürgerparlament (das Herzstück der Bürgerkarte), sieht sich Kopp bestätigt. In diesem Parlament können die Bürger*innen und Händler*innen in einem partizipativen Beteiligungsprozess gemeinsam über die Verwendung des erzielten Bürgervermögens entscheiden. Diesem Organ wird in den kommenden Monaten eine noch stärkere Beachtung zukommen.

Klaus Kopp’s Vision der Zukunft ist klar. Er sieht wie mit der Bürgerkarte in ganz Deutschland die Bürger*innen bestimmen, was in ihrer Region finanziert werden soll.

Der Klausurtag vom 21.11.2020 sollte die Frage klären, wie sich diese Vision in die Tat umsetzen lässt.

 

Arbeit in Kleingruppen –
Die Vision der Bürgerkarte formulieren

Auf den furiosen Auftakt folgte die Arbeit in Kleingruppen. In diesen sollten die Antreiber*innen der Bürgerkarte eine gemeinsame Vision der Bürgerkarte für die nächsten zwölf Monate formulieren.

Ohne ein klar umrissenes Ziel fehlt es an Anschub für einen Wandel. Um diesem Problem zu entgehen, wurden drei Gruppen gebildet, die Ergebnisse erarbeiten und sie dann im Plenum vorstellen sollten.

Die Sammlung der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen ergab eine wünschenswerte Vision für die Bodenseeregion. Langfristig ist das Ziel, die Bürgerkarte in den vier Ländern der Bodenseeregion nutzbar zu machen und für diese Aufgabe feste Arbeitsplätze geschaffen zu haben. So soll die Bodenseeregion regional gestärkt, nachhaltig und sozial als Vorbild dienen und Inspiration für eine weitere Ausbreitung der Bürgerkarte liefern.

Es kristallisierten sich schnell drei Hauptziele heraus, die in den kommenden zwölf Monaten die Arbeit der Bürgerkartenheld*innen dominieren werden und zur Umsetzung der Vision beitragen sollen:

  1. Wachstum in der Bodenseeregion. Die Anwerbung von neuen Mitarbeiter*innen, Händler*innen und Organisationen stellt ein Hauptziel dar. Dieses Ziel kann allerdings nur umgesetzt werden, wenn sich auch mehr Nutzer*innen der Bürgerkarte finden lassen. Gemeinsam kann so die Bodenseeregion zur Bürgerkartenregion ausgebaut werden und als Vorbild in der Vierländerregion dienen.
  2. Die Finanzierung der Bürgerkarte sicherstellen. Bisher expandiert die Bürgerkarte fast ausschließlich durch das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder. Leider ist es bisher noch nicht möglich, Stellen zu schaffen. Das schränkt die Möglichkeiten der Bürgerkarteninitiator*innen  ein. Mehr Arbeitszeit bedeutet mehr Wachstum und mehr Chancen. Diese Arbeitszeit zu ermöglichen ist ein weiteres Hauptziel.
  3. An der Präsentation der Bürgerkarte arbeiten. Bisher ist die Bürgerkarte nur an ausgewählten Standorten des Bodensees präsent. Durch eine verbesserte Onlinepräsenz könnten mehr Mitglieder und Unterstützer*innen angeworben werden. Marketing und Medienkompetenz sind auch bei der Bürgerkarte essentiell.

Leser*innen, die sich für einen der genannten Bereiche interessieren, sind herzlich dazu eingeladen, ihre Expertise einzubringen. Die Initiator*innen freuen sich über jedes neue Mitglied. Jede kleine Leistung kann entscheidend sein. Gemeinsam kann so eine Vorbildrolle eingenommen und die deutsche Wirtschaft ein Stück weit sozialer, nachhaltiger und regionaler gestaltet werden.

Bei Interesse können Sie gerne eine E-Mail an buergerkarte@wirundjetzt.de senden. Wir nehmen dann mit euch Kontakt auf und senden euch die wichtigsten Informationen zur Bürgerkarte zu. Ihr könnt euch vorab auch gerne über die regionale Website (www.buergerkarte-bodensee-oberschwaben.de) oder über die Webseite von BÜRGER-vermögen-VIEL (www.buerger-vermoegen-viel.de) informieren.

Besonderen Bedarf haben wir derzeit an:

  • Texter*innen
  • IT-ler*innen
  • Webdesigner*innen

Selbstverständlich freuen wir uns aber auch über Menschen mit anderen Stärken. Jede*r kann einen Beitrag leisten und uns dabei helfen, die Bürgerkarte zum Standard werden zu lassen.

Wir freuen uns darüber hinaus auch immer sehr über Menschen, die die Händler*innen ansprechen und die Bürgerkarte bekannt machen. Jedes kleine Gespräch und jeder kleine Einkauf sind sehr viel wert!

 

Problemanalyse – Wo steckt die Bürgerkarte fest?  

Nachdem die Vision und die Ziele abgesteckt worden sind, stellte sich die Frage, was den Lauf der Bürgerkarte bisher gebremst hat. Die Teilnehmer*innen des Online-Klausurtages sammelten im Plenum Probleme (oder “Drachen”), die beseitigt werden müssen, um die  Bürgerkarte weiter voranzubringen.

Als großes Thema wurde das Design angesprochen und daraufhin folgte ein Workshop zum Thema Corporate Identity und Corporate Design von dem Werbe-Spezialisten Thomas Scharnitzki, der mit seiner Agentur Ei-Gelb schon einige Erfahrungen in dem Bereich sammeln durfte.

Insgesamt wurden 19 Stolpersteine definiert, die sowohl auf interner als auch auf externer Ebene einer Expansion der Bürgerkarte im Weg stehen. Trotz der vielen Probleme und Stellschrauben verloren die Bürgerkartenverfechter*innen jedoch nicht den Mut. Im Gegenteil, es wurden direkt die sich offenbarenden Chancen genannt und analysiert.

In Kleingruppen wurden sofort im Anschluss mögliche Lösungswege erdacht und teilweise umgehend umgesetzt. Unter der Anleitung von Sarina fanden sich Arbeitsgruppen zusammen, die sich in Zukunft einzelnen Problembereichen widmen und so die Bürgerkarte voranbringen werden.

Es bildeten sich dabei verschiedene Gruppen heraus, die an dieser Stelle kurz aufgelistet werden. Bei Interesse können sich begeisterte Leser*innen gerne unter der zuvor genannten Adresse (buergerkarte@wirundjetzt.de) melden und tatkräftig in den Gruppen mitarbeiten. Die Verfechter*innen freuen sich sehr, neue Mitnutzer – & gestalter*innen kennenzulernen und mit diesen zusammen die Bürgerkarte noch präsenter zu machen.

Die einzelnen Gruppen widmen sich folgenden Themen:

  • Instagram, Facebook, Youtube (soziale Medien)
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Finanzierung und Wertschöpfung
  • Reichweite bzw. Förderprojekte
  • Vision, Essenz und Slogan
  • Expansion, Skalierung, Akquise
  • Newsletter
  • Plattform für die interne und externe Zusammenarbeit

Abschluss – Fazit des Klausurtages und Ausblick

Das Ende des Klausurtages war gleichzeitig wohlverdient, sowie schön. Nach einem sowohl intensiven und arbeitsträchtigen, als auch spannenden, unterhaltsamen und witzigen Samstag hatte jede*r Teilnehmer*in Zeit für ein kurzes Resümee.

Dankbar aber erschöpft waren die Teilnehmer*innen schlussendlich doch froh, dass sie sich vom Alpenblick und dem strahlenden Sonnenschein abgewendet und sich ihren PCs, Laptops und somit der Bürgerkarte und dem Team gewidmet hatten.

Mit den letzten Sonnenstrahlen und einem (wie mir zumindest berichtet wurde malerischen) Sonnenuntergang bedankten sich die Mitglieder für die Zusammenarbeit, die gelungene Moderation von Rhetoriksofa und den inspirierenden Vortrag von Bürgerkartengründer Klaus Kopp.

So konnten einige Mitglieder sich mit einem wohlverdienten Weißwein in den Genuss der letzten Sonnenstrahlen verabschieden, andere hingegen durften daraufhin im berühmten Konstanzer Nebel durch die menschenleeren Straßen geistern.

Und so endete der erste Online-Klausurtag der Bürgerkarte an diesem Samstag um 17 Uhr mit viel guter Laune, klar definierten Aufgaben und einer ordentlichen Portion Motivation für die kommenden Wochen, Monate und Jahre.

 

Geschrieben von Manuel Baumann von new work consulting.

Ein PDF der Zusammenfassung finden Sie hier.